Das Havelländische und das Rhinluch waren lange Zeit das bedeutendste Anbaugebiet für Hanf in Deutschland. Für eine leistungsfähige Verarbeitung dieser Pflanzen entwickelte die Firma Richter, Landmaschinenfabrik, GmbH aus Rathenow sogar eine Dreschmaschine, für die sie 1935 ein Patent anmeldete. Hinweise auf Details und ein Foto lieferte im Januar 2021 der Landmaschinenexperte Martin Sander aus Schriesheim bei Heidelberg. Darüber freute sich Werner Coch aus Premnitz, der von der Hanfdreschmaschine wusste und das Buch „Der Landmaschinenbau in Rathenow“, Sonderausgabe Nr. 2 des Rathenower Heimatkalenders (Rathenow 2018), über die Firma geschrieben hat.
Wie 1936 in den „Mitteilungen für die Landwirtschaft“ berichtet wird, wurde diese Richter-Maschine am 16. Juli 1935 in Bergerdamm bei Nauen, seit dem Ersten Weltkrieg Sitz einer Hanffabrik, einer praktischen Prüfung unterzogen. Die Prüfung wurde durch Besichtigung weiterer Maschinen auf der Domäne Dreetz, auf dem Betrieb Bertram in Buschow, bei Dr. Schurig in Markee und in der Hanffabrik Bergerdamm fortgesetzt. Als Ergebnis wurde die Hanfdreschmaschine von Richter als „neu und beachtenswert“ anerkannt und mit der Bronzenen Preismünze ausgezeichnet. Denn „dem Hanfanbau fehlte bisher eine einfache, leistungsfähige Hanfentsamungsmaschine, die es dem Hanfanbauer gestattet, die Hanfstengel entsamt an die Hanffabrik zu liefern“, so die „Mitteilungen für die Landwirtschaft“.
Hanf war jahrhundertelang – ähnlich wie Flachs (Lein) – eine bedeutende Faserpflanze in Deutschland. Aus Zentralasien stammend, wurde Hanf im 13. Jahrhundert zunächst nach Osteuropa eingeführt. Die Länder dort haben in der Hinsicht eine große Anbautradition. 1935 war Rußland mit einer Fläche von 521.000 Hektar die größte Hanfanbau-Nation; weltweit waren es 786.000 Hektar Anbaufläche. Italien brachte es damals auf 68.000 Hektar, Rumänien auf 46.000, Jugoslawien auf 44.000 und Polen auf 34.000 Hektar. In Deutschland dagegen wurde Hanf im Jahr 1935 nur auf 3.636 Hektar angebaut. Seit dem 19. Jahrhundert waren Hanf – und auch Flachs – in Konkurrenz zur immer besser verfügbaren Baumwolle zunehmend ins Hintertreffen geraten, weil erstere aufwendig aufbereitet werden mussten.
1878 fand Hanfanbau im Deutschen Reich noch auf 21.238 Hektar Fläche statt. Doch der Rückgang war nicht mehr aufzuhalten, weil andere Kulturpflanzen den deutschen Bauern mehr Gewinn einbrachten. Im Jahr 1900 blieben 3.571 Hektar übrig und 1913 waren es nur noch 600 Hektar. Allerdings baute Deutschland wegen der knappen Baumwolle im Ersten Weltkrieg wieder Hanf in großem Stil an: 1920 gab es sogar Hanf auf einer Fläche von 5.350 Hektar. Erneut aber schrumpfte der Anbau: 1933 waren es nur noch 211 Hektar. Gleichzeitig importierte Deutschland etwa 20.000 Tonnen Hanffasern, schreibt Artur Mißbach in: „Die deutschen Spinnstoffe“ (Berlin 1938).
Mit den Autarkiebestrebungen der Nationalsozialisten wurde der Hanfanbau erneut gefördert. Als besonders geeignet galten laut Mißbach Niedermoore, wie der Sprottebruch in Niederschlesien, das Dachauer Moos, Rhinluch und Havelländisches Luch: tiefgründige Böden mit ausreichender Wasserversorgung. Von den 3.636 Hektar Anbaufläche (entspricht etwa 2.200 Tonnen Fasern) in Deutschland im Jahr 1935 lagen 1.634 Hektar in Brandenburg. Bis 1937 wurde die deutsche Anbaufläche auf 7.510 Hektar gesteigert – das entsprach etwa 5.000 Tonnen Hanffasern. Dabei ragt Brandenburg mit einer Fläche von 3.060 Hektar heraus, gefolgt von Schlesien (1.173 Hektar), Bayern (968 Hektar) und Pommern (755 Hektar).
Entsprechend wurden in Deutschland 1936 vier Hanfrösten neu in Betrieb genommen: Während die Hanfröste in Konstadt (Oberschlesien) an eine bestehende Flachsröste angegliedert wurde und die Hanffabrik in Schneidemühl (Grenzmark) aus einer im Ersten Weltkrieg errichteten Hanfröste umgebaut wurde, entstanden im bayerischen Schrobenhausen sowie in Fehrbellin im Rhinluch ganz neue Werke. Diese vier Betriebe konnten den Ertrag von jeweils etwa 1.000 Hektar Anbaufläche verarbeiten.
Bei dem Verarbeitungsprozess wurden die oft mehr als drei Meter langen, entblätterten Hanfstengel in Becken mit knapp 30 Grad warmen Wasser geröstet. Nach etwa 30 Stunden ließen sich die Fasern gut vom Holzkörper trennen. Anschließend wurde der Hanf im Freien zum Trocknen aufgestellt, in Trockenapparaten nachbehandelt. Eine eiserne Walzenstraße zum Knicken und daran anschließende Schwingmaschinen befreiten das geröstete Material von den letzten Holzteilchen. Die Faserbündel wurden zu einem Zopf gedreht und diese zu Ballen gepresst, um sie so zu den Spinnereien und Seilereien zu transportieren.