Schon der preußische König Friedrich Wilhelm I. förderte seit 1714 die Seidenraupenzucht. Riesige Maulbeerbäume in Rathenow weisen bis heute darauf hin. Und in Premnitz haben Lehrer und Schüler noch bis etwa 1960 Rohseide hergestellt.
Das Klima ist ungünstig, die Zucht von Seidenraupen anspruchsvoll – dennoch wurde auch in Deutschland etwa 250 Jahre lang Rohseide gewonnen und verarbeitet. Seit 1714 unterstützte der preußische König Friedrich Wilhelm I. die Seidenraupenzucht und ordnete die Anzucht von Maulbeerbäumen an Mauern, Gräben, Wegen und Gehöften an. Besonders Lehrer, Pfarrer und Amtspersonen wurden damit beauftragt, weil man ihnen die anspruchsvolle Zucht zutraute. Schließlich wurden 1790 im Raum Frankfurt (Oder)-Berlin-Magdeburg etwa drei Millionen Maulbeerbäume und 2.580 Seidenspinnstühle gezählt. Das ungünstige Klima, Krankheiten und Fehler bei der Zucht der Seidenraupe – der Larve des Seidenspinners – führten aber zu Rückschlägen, so dass die Seidenproduktion in Preußen nach dem Wegfall der staatlichen Förderung Anfang des 19. Jahrhunderts zusammenbrach. Die Raupen sind unter anderem gegenüber Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen und Zugluft empfindlich.
Aus dieser Zeit blieben mehr als 200 Jahre alte Maulbeerbäume auf der Magazininsel in Rathenow als Naturdenkmal erhalten, berichtete Wolfram Bleis im Rathenower Heimatkalender 1986. Die Bäume gehörten zu einer zweireihigen Allee, die einst für die Seidenraupenzucht vor der Südfront des „königlichen Frucht- und Mehlmagazins“ gepflanzt wurden. Das von 1786 bis 1790 errichtete Magazin bildete mit weiteren, vor allem in Festungen untergebrachten Provianthäusern das Rückgrat für die Versorgung der preußischen Armee. Der Komplex in Rathenow war mit zwei Innenhöfen 157 Meter lang, 108 Meter breit und etwa 18 Meter hoch. Auf einem massiven Sockelgeschoss aus Ziegelmauerwerk gab es drei Geschosse in Fachwerkkonstruktion sowie zwei Dachgeschosse mit einem umbauten Raum von geschätzt 122.000 Quadratmetern. Das reichte unter anderem für bis zu 26.400 Tonnen Getreide. Auf der Südseite gab es ein Bollwerk, an dem die auf der Havel verkehrenden Kähne anlegen konnten. Wegen seiner Bauweise und einem zufällig demontierten Blitzableiter brannte es am 4. August 1891 nach einem Blitzschlag ab. Übrig blieben große Teile des Sockelgeschosses sowie zwei Wohnhäuser für das Personal: An der alten Einfahrt zum Magazin im Osten waren vier „Oberofficianten“ untergebracht, im Westen neben den alten Maulbeerbäumen acht „Kornschüpper“.
Schließlich ließen die auf Autarkie bedachten Nationalsozialisten mit Reichsverordnung vom 8. Juli 1935 die Produktion von Rohseide noch einmal aufleben. Begehrt war der Stoff vor allem für die Herstellung von Fallschirmen. Die Seidenraupenzucht wurde vielfach den Schulen übertragen, so auch in Premnitz, schrieben Werner Coch und Dieter Thiele im Rathenower Heimatkalender 2014. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg setzten einige Premnitzer Lehrer die Zucht fort, auch um sich ein kleines Entgelt zu verdienen. Viele Maulbeerbäume und -hecken standen damals im Quartier Bahnhofstraße-Gartenstraße-Bergstraße-Hauptstraße sowie auf dem Schulgelände. Um 1960 wurde die Pflege eingestellt.
Zu DDR-Zeiten waren die Eier des weiblichen Schmetterlings Ende Mai/Anfang Juni in einem Institut in Jena beschafft und bei 23 Grad Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit ausgebrütet worden – vermutlich in den privaten Küchen der Lehrer. Die Raupen wurden auf die Zuchtgestelle in die Schule gebracht und von Schülern mit Maulbeerblättern gefüttert, ehe sie sich ihre etwa 2,5 Gramm schweren Kokons spannen. Das ganze Prozess dauerte knapp 50 Tage. Aus einer Zucht mit sechs Gramm Eiern konnten so etwa zehn Kilogramm Kokons produziert werden. Von dem etwa 2.000 Meter langen Faden eines Kokons waren etwa 800 Meter für die Seidenherstellung verwendbar. Die Weiterverarbeitung übernahm die 1928 gegründete Spinnhütte Seidenspinnerei und Weberei GmbH in Plauen (Vogtland), seit 1938 Teil der Mitteldeutschen Spinnhütte – später VEB Novotex. Das Unternehmen gibt es als Plauener Seidenweberei GmbH heute noch, siehe: