Auf Spurensuche in Hohenofen: Lumpen für die Papierproduktion

Lumpen sind für die Papierherstellung ursprünglich der einzige und später der wertvollste Rohstoff gewesen. Die abgetragene Kleidung aus Leinen (Flachs), Hanf oder Baumwolle war bis zur Erfindung des Holzschliffs 1843 so begehrt, dass auch Papier ein knappes Gut war. Die Papierfabrik Hohenofen, heute ein bedeutendes Technisches Denkmal, verarbeitete Lumpen zum Teil noch bis zum großen Produktionsumbau 1967/68.

Pflanzenfasern sind das wichtigste Rohmaterial für die Papierherstellung. Dafür werden Zellstoff, Halbzellstoff, Altpapier, der 1843 von Friedrich Gottlob Keller entwickelte Holzschliff oder Hadern verwendet und dafür auf verschiedene Art aufbereitet. Letztere sind Lumpen, also Reste von Kleidungsstücken, die unter Zugabe von Kalk und Soda für die Papierproduktion gekocht und so aufgeschlossen werden. Hadern bestehen üblicherweise aus Baumwolle, Leinen (Flachs) oder Hanf. Auch Zellstoff besteht aus Pflanzenfasern, Holz oder auch Stroh, die chemisch aufgeschlossen und gebleicht werden.

Südlich von Neustadt (Dosse) arbeitete von 1838 bis 1990 die Papierfabrik Hohenofen. 1967/68 wurde sie das letzte Mal grundlegend umgebaut und stellte seitdem mit Hilfe von Zellstoff nur noch Transparentzeichenpapier her. Bis dahin verwendete sie für die Herstellung ihres vielfältigen Papierangebots aber immer auch noch Lumpen. Selbstverständlich hatte die Produktion in Hohenofen einst auch damit begonnen. Dafür sammelten Lumpensammler ausgediente Kleidung und lieferten sie an die Fabriken. Auf dieser Grundlage stellte die Papierfabrik Hohenofen bis 1851 hochfeine Wasserzeichenpapiere und hochwertige Feinpapiere für Schriftstücke, Briefe und Formulare des preußischen Staates her.

Noch 1905 wurde das bis heute in Hohenofen erhaltene großzügige Lumpenhaus neu errichtet. Denn die Lumpen mussten gelagert und sortiert werden. Vom Hadernboden im oberen Geschoss wurden die Lumpen auf kleinen Wagen über die Lorenbrücke in das zweite Obergeschoss des Hauptgebäudes gebracht. Hier wurden sie in der Hadernschneidemaschine zerkleinert und im Entstäuber gereinigt. Durch Löcher im Boden gelangten die Lumpenfetzen in die Kugelkocher im ersten Obergeschoss. Mit Kalklauge und Soda wurden sie dort bei einem Dampfdruck von 3 bis 5 bar in aufbereitet, dabei Farbstoffe zerstört, Fett verseift und Schmutz gelöst. Während des mehrstündigen Kochens lockerte sich das Gewebe und die Hadern ließen sich so leicht zerfasern. Dieses Rohmaterial aus Hadern wurde in der Papierfabrik unterschiedlich gemahlen. So wird der Charakter des Papiers bestimmt. Dafür standen Kollergänge und Holländer zur Verfügung, später für den Zellstoff auch ein Turbolöser.

Dem beim Mahlen entstehenden Ganzstoff werden Hilfsstoffe beigemengt: Füllstoffe wie Kaolin oder Kreide, Bindemittel wie zum Beispiel Leim, außerdem Farben und andere Chemikalien. Füllstoffe zum Beispiel machen das Papier undurchsichtiger, in der Oberfläche geschlossener und schmiegsamer. Bei der Herstellung des Ganzstoffs wird zudem sauberes Wasser in großen Mengen eingesetzt. Auf der Papiermaschine läuft der größte Teil dieses Wassers bereits auf dem Langsieb ab. Das sich so bildende Faservlies wird auf ein Filztuch übertragen und zwischen Walzenpaaren hindurchgeführt, welche weiteres Wasser herausdrücken. Schließlich wird die Papierbahn auf Filz über Trockenzylinder geführt. Anschließend wird es längs und quer geschnitten, also formatiert. In Hohenofen wurde das Papier noch bis zur Stilllegung der Fabrik im Papiersaal von Frauen durch Umschlagen jedes einzelnen Bogens auf Fehler geprüft, bogenweise gezählt und riesweise verpackt.

Drei Jahrzehnte nach der deutschen Vereinigung rollten im Herbst 2020 erstmals wieder Bagger auf den Hof der Papierfabrik Hohenofen – um mit einer groß angelegten Sanierung des Technischen Denkmals zu beginnen, siehe:

https://papierfabrik-hohenofen.de/sanierungsplan/konzept/

Lumpen waren für die Papierherstellung ein wertvolles Gut, das aufwendig aufbereitet werden musste. Das Foto zeigt Arbeiterinnen beim Sortieren der Lumpen in den 1930er Jahren. Foto: Archiv Patent-Papierfabrik Hohenofen e.V.
In den Holländern der Papierfabrik Hohenofen wurden die Rohstoffe in viel Wasser vermahlen und kamen dann als Ganzstoff zur Papiermaschine. Foto: Sven Bardua
In der Papiermaschine in Hohenofen wurde der Ganzstoff zunächst auf einem Langsieb (vorn) entwässert, die dabei entstehende Papierbahn dann zwischen Walzengruppen gepresst und getrocknet. Foto: Sven Bardua
1990 stellte die Papierfabrik Hohenofen ihre Produktion ein: Bis zum Schluss, hier ein Foto von 1974, kontrollierten und zählten Arbeiterinnen im Papiersaal die einzelnen Papierbögen. Foto: Archiv Patent-Papierfabrik Hohenofen e.V.

2 Gedanken zu „Auf Spurensuche in Hohenofen: Lumpen für die Papierproduktion“

  1. Das Lumpensammeln war eine schmutzige Arbeit. Kleidung wurde meist getragen, bis sie auseinanderfiel. Lumpen kamen oft von Kranken oder Verstorbenen und waren entsprechend verschmutzt und verkeimt. „Im Lumpensammler konzentrieren sich die ekelerregenden Dünste von Kot und Leichen“, schrieb schon Bernardino Ramazzini in seinem 1700 erschienen Werk „De morbis artificum diatriba – Untersuchung von den Krankheiten der Künstler und Handwerker“. So erkrankten sie oft an Milzbrand und Infektionskrankheiten wie Blattern, Krätze, Rotlauf, Typhus und Cholera. Dasselbe gilt für die Lumpensortiererinnen. Sie mussten Knöpfe, Schnallen und dicke Nähte abschneiden. Danach wurden die Lumpen nach Farben sortiert und in kleine Stücke gerissen. Im Gegensatz dazu war die Papiermacherei ein vergleichsweise sauberer Beruf und galt immer auch als Kunst.

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    • Heute sind Altkleider Exportware, die in den Empfangsländern der einheimischen Textilindustrie Konkurrenz macht.
      Weit weg von der Papierherstellung.

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